Magus Morbus verdient sich sein Lehen

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Autor: Magus Morbus

Teil 1

„….wie ich mein Lehen erhalten habe? Natürlich für geradezu übermenschliche Anstrengungen im Dienste des Reiches!

Mein Aufstieg in die Reihen des Hochadels begann an dem Tag, an dem ich einen Termin beim Kaiser Yakuul Kahar erhalten sollte. Mit stolz geschwellter Brust betrat ich den Audienzsaal, in dem sich bereits eine Menge niederes Volk eingefunden hatte. Huldvoll winkte ich den versammelten Hofschranzen, Speichelleckern und Intriganten zu, bevor ich mich nach dem Kaiser umsah. Er war noch nicht anwesend, was mich auch nicht weiter verwunderte. Er würde mich ja wohl kaum in Anwesenheit all dieser fragwürdigen Gesellen sprechen wollen. Ich entschied, ihn direkt in seinen Privatgemächern aufzusuchen, wie es vermutlich seinem Willen entsprach.

Zielsicher steuerte ich den Privatflügel seines Schlosses an. An der Tür zu seinen Privatgemächern standen zwei Ehrenwachen, welche mich misstrauisch beäugten. „Ihr könnt hier nicht hinein! Der Kaiser führt gerade eine Privataudienz!“

„Das ist mir bekannt! Schließlich ist dies meine Privataudienz, und man erwartet mich bereits.“ Ich versetzte die Wachen in Stasis und tauchte geschickt zwischen den gekreuzten Hellebarden hindurch. Manchmal ist es schon von Vorteil, ein mächtiger Magier zu sein. Ich öffnete die Tür und betrat nun das Refugium des Fürsten. Auf einer langen Tafel standen verschiedenste Erfrischungen bereit. Der Kaiser unterhielt sich mit einem edel gekleideten Ritter, in welchem ich den Hochmeister von Helborn erkannte. Beide Herren betrachteten mich leicht verwundert. Vermutlich fragten sie sich, warum ich zu dieser wichtigen Audienz erst jetzt erschien.

Um die Lage etwas zu entspannen, füllte ich ein herumstehendes Trinkhorn großzügig mit Met und prostete den hohen Herren fröhlich zu. Nachdem ich einen großen Schluck genommen hatte leckte ich mir schmatzend die Lippen, denn dieser Met war von allerfeinster Qualität und stammte sicherlich aus dem Privatvorrat des Kaisers. Nur die allerwichtigsten Staatsgäste wurden mit diesem Met bewirtet. Ich musste tatsächlich in der höchsten Gunst des Kaisers stehen, wenn er mir solch exquisite Leckereien kredenzte!

Der Kaiser betrachtete mich kopfschüttelnd. „Magus Morbus! Habt ihr jedwede Erziehung vergessen?“

Ich errötete, denn mein Verhalten bot wirklich Anlass zur Kritik. Wie konnte ich bloß so unaufmerksam sein und dem Trunke zusprechen, ohne unserem gemeinsamen Gast ebenfalls etwas zur Erfrischung anzubieten? Suchend blickte ich über den Tisch, aber ich erblickte kein weiteres Trinkhorn mehr. Leider gab es wohl nur eine einzige Möglichkeit, meinen Fehler zu korrigieren.

„Trinkt mit mir, mein werter Ritter!“

Schwungvoll drückte ich dem Hochmeister mein Trinkhorn in die Hand, wobei ihm eine große Portion des Mets über die teuer aussehenden Wildlederhandschuhe schwappte. Vielleicht hatte ich das Horn doch etwas zu gut gefüllt. Der Hochmeister sah nicht allzu begeistert aus und betrachtete mein schönes Trinkhorn, als halte er einen mehrere Wochen alten Rattenkadaver in den Händen.

„Nein, ich verzichte!“

Ich zuckte die Schultern, denn schließlich konnte mir dies nur recht sein. Sein Verlust war mein Gewinn, und zufrieden nahm ich das Horn aus seinen tropfenden Händen.

„Wie Ihr wollt. In weniger zivilisierten Gegenden könnte das Ablehnen eines Getränkes allerdings als Beleidigung gewertet werden, wisst Ihr? Dies erwähne ich nur, weil Ihr ja als Hochmeister sicherlich auch diplomatische Aufgaben zu bewältigen habt.“ Freundlich lächelte ich unserem Gast zu, während sich der Kaiser die Hände vor das Gesicht schlug. Auch ihn schien der diplomatische Patzer des Ritters aus Helborn ziemlich zu wundern.

Der Hochmeister zupfte sorgsam seine besudelten Handschuhe von den Händen und warf sie mir zu. Ich war überrascht, aber auch sehr erfreut über dieses wertvolle Geschenk. Ich habe sie inzwischen reinigen lassen und trage sie – wie ihr sehen könnt – heute noch.

„Solltet Ihr Euch von mir beleidigt fühlen, bin ich gerne bereit, euch Satisfaktion mit dem Schwert oder der Lanze anzubieten.“ Der Hochmeister klang sehr ernst. Offenbar nahm er sich meinen Hinweis auf die Etikette doch sehr zu Herzen. Langsam sollte ich ihm doch zeigen, das ich keineswegs nachtragend war.

„Dies wird keineswegs notwendig sein. Immerhin bin ich kein Schwertschwinger, sondern ein Magier. Ein Duell mit Feuerbällen würde ich dem Gefuchtel mit der Klinge jederzeit vorziehen!“ Der Gast aus Helborn nickte knapp. „Auch dies wäre eine Möglichkeit. Ich bin in arkanen Dingen nicht unbewandert und habe vermutlich in der magischen Kunst schon mehr Dinge vergessen als ihr jemals lernen werdet!“

Nun wandte er sich an den Kaiser: „Sind Eure Adligen eigentlich alle von diesem Schlag?“

Der Kaiser schüttelte den Kopf. „Mein guter Magus Morbus ist sicherlich in jeder Hinsicht einzigartig. Er ist recht geschwind mit der Zunge…“

„Dies ist mir auch schon aufgefallen.“

„Da kann man natürlich nicht erwarten, das seine Gedanken bei dieser Raserei immer mithalten können…“

Der Hochmeister lachte auf. „Dann sind sich unsere Reiche ja wieder einmal einig. Nun gut, eigentlich waren unsere Diskurse ja weitgehend beendet. Ihr habt nun sicherlich mit Eurem Magus noch einige interessante Gespräche zu führen… wie etwa über Gastfreundschaft, Etikette und Sekundanten…“

Der Kaiser führte seinen Gast zur Türe und verabschiedete sich freundlich von ihm. Ich nutzte die Zeit, mich ein wenig an den aufgetischten Spezereien zu laben. Dazu nahm ich mir eine handvoll Kirschen.

Als Yakuul Kahar zurück kehrte, lächelte ich ihn freundlich an. „Das ist doch gar nicht schlecht gelaufen!“

Kopfschüttelnd setzte sich der Kaiser zurück in seinen Sessel und betrachtete mich streng.

„Morbus, ich würde Euch ja den Mund zunähen lassen…. Aber wie würdet Ihr dann Eure Kampfzauber einsetzen?“

(Fortsetzung folgt)

Teil 2

„Wenn Ihr mir den Mund stopfen wollt, könntet Ihr mir ja einfach ein Lehen zugestehen.“

Der Kaiser rieb sich das Kinn. „Diese Diskussionen hatten wir doch schon mehrmals. Ihr seid ein Zauberer und benötigt kein eigenes Lehen. Die Verwaltung eigenen Grundbesitzes nimmt viel Zeit in Anspruch, welche Euch dann zu der Vervollkommnung Eurer magischen Fähigkeiten fehlen würde. Seid ihr euch nicht der Verantwortung bewusst, die solch eine arkane Fähigkeit mit sich bringt? Den wahren Großmeister der Magie erkennt man an der Größe seiner Hingabe an die Zauberkunst, nicht an der Menge seines Ackerlandes. Diesem Ideal solltet auch Ihr nachstreben.“

Ich pflückte einige Erdbeeren aus einer kunstvoll verzierten Sahnetorte. „Mit etwas Gold im Beutel müsste ich mir nicht ständig Sorgen machen und könnte noch viel eifriger an meiner Zauberkunst arbeiten. Euer hingebungsvoller Großmeister könnte sich leicht als armer Tropf mit Löchern in den Socken erweisen. Ich bin zwar ein Zauberer, aber trotzdem nur ein Mensch! Wenn ich hungere, knurrt mein Magen, und bei Regenwetter benötigt mein armer langsamer Kopf ein Dach über selbigen, auf das die geschwinde Zunge nicht von einem Wirbelsturm hinweg gefegt wird.“ Interessiert drückte ich mit beiden Händen auf einem paar Honigmelonen herum, um deren Festigkeit zu prüfen. „Und Morganas Haus der süßen Schmerzen braucht man ohne gut gefüllten Geldbeutel gar nicht erst zu betreten…. Der Schmerz würde sonst länger anhalten als mir lieb wäre. Besonders süß wäre er vermutlich auch nicht.“

Yakuul Kahar schüttelte den Kopf. Dies tat er neuerdings recht oft in meiner Gegenwart. „Ich will das alles gar nicht hören. Und hört endlich auf, an diesen Melonen herum zu fummeln! Ein Lehen bekommt man nur für geradezu übermenschliche Anstrengungen im Dienste des Reiches! Und eine solche Tat fällt mir bei Euch auf Anhieb nicht ein.“

„Dann gebt mir eine Aufgabe, auf das ich mir das Lehen verdienen kann. Ich bin zu allem bereit!“ Kaum hatte ich diesen Satz gesagt wünschte ich mir, der Kaiser hätte mir tatsächlich den Mund zugenäht.

(Fortsetzung folgt)

Teil 3

Manchmal sollte ich vielleicht doch lieber nachdenken, bevor ich allzu großzügige Versprechungen abgab.

Mein Fürst musterte mich von oben bis unten und sah plötzlich deutlich besser gelaunt aus. Dies war eine Entwicklung, welche mich mit ziemlicher Sorge erfüllte.

„Mein werter Morbus, es gibt da sicherlich so Einiges, welches Ihr für das Reich und für mich tun könntet. Und solltet Ihr erfolgreich sein, wäre die Verleihung eines Lehens durchaus im Bereich des Möglichen.“ Yakuul Kahar lümmelte sich in seinen Sessel, während er sich für seine Idee zu erwärmen begann. „Wie ihr wohl wisst findet demnächst das jährliche Wagenrennen von Erkenfara statt. Im vorigen Jahr habe ich daran Teil genommen und bin von dem Fahrer aus Nordheim derartig schwer bedrängt worden, das man fast schon von einem Mordversuch sprechen könnte. Er hat sich äußerst wortreich für sein Verhalten entschuldigt und angekündigt, den Versuch in diesem Jahr wiederholen zu wollen. Da wir kurz vor dem offenen Krieg mit den Nordmännern stehen dürfte dies ein äußerst schmutziges Rennen werden. Und da kommt Ihr ins Spiel!“

Offensichtlich sollte ich den Wettbewerb mit meinen magischen Kräften manipulieren. Dies war zwar nicht ohne Risiken, aber vermutlich machbar. Ich begann zu lächeln und nickte begeistert. Bei einem rechtzeitigen Wetteinsatz mochte dies eine recht einträgliche Queste werden. „Verfügt über mich nach Belieben.“

„Euer Eifer wärmt mir das Herz. Mit dieser Einstellung dürfte Euch tatsächlich gelingen, das Rennen für Theostelos zu gewinnen.“

„Ich werde mein Bestes tun. Eine heimlich gezauberte Wand im Weg des Favoriten oder einen Becher Gift für die Pferde des Nordheimers dürften sicherlich einen entscheidenden Unterschied bedeuten und Eurem Sieg in diesem Jahr zur unausweichlichen Gewissheit machen!“

Der Kaiser betrachtete mich verwundert. „MEINEN Sieg? Mir dünkt, Ihr habt mich völlig falsch verstanden. Nicht ich werde an dem Wettbewerb teilnehmen, sondern ihr. Vergesst dabei aber niemals, das ihr in den Augen der Welt Theostelos repräsentiert. Ich verbiete Euch daher jeden Einsatz von Gift, und leider ist der Einsatz von Magie in der Arena nicht zugelassen. Versucht dies also gar nicht erst, oder aber die Arena-Gardisten werden euch mit Pfeilen spicken.“

Ich griff nach meinem Trinkhorn und stürzte den gesamten Inhalt in einem Zug herunter, um meine Bestürzung zu verbergen.

„Hmmmpf..... und ich bekomme also mein Lehen, wenn ich dieses Rennen überlebe?“

„Nur wenn Ihr gewinnt, Morbus. Nur wenn ihr gewinnt. Ich werde 5000 auf den Sieg unseres neuen theostelotischen Titelaspiranten setzen. Enttäuscht mich also nicht!“

(Fortsetzung folgt)

Teil 4

So kam es, das ich mich einige Tage später in der Arena wieder fand, um mich für Kaiser und Vaterland völlig sinnlos in Lebensgefahr zu bringen. Im Nachhinein betrachtet war es allerdings doch nicht ganz so schlimm, denn das Rennen machte mir tatsächlich Spaß. Ich startete auf der innersten Bahn und war damit beruhigend weit entfernt von dem blutdürstigen Massenmörder aus Nordheim. Er war mit eigenen Bardinnen angereist, welche gefühlvoll von dem herumspritzenden Blut sangen, welches er gefälligst zu vergießen habe. Er tat ihnen den Gefallen, warf den fliegenden Teppich von Yaromo aus dem Rennen und rammte die Wagen aus Eoganachta und Helborn. Dem Fahrer aus Helborn half ich hier übrigens aus der Gefahrenzone, indem ich seine Pferde zu etwas höherer Geschwindigkeit animierte. Er war aufrichtig dankbar dafür.

Die unangenehmste Situation für mich kam kurz darauf, als einige betrunkene Schlachtenbummler aus dem theostelotischen Fanblock mich mit leeren Amphoren bewarfen. Ich musste den Wurfgeschossen ausweichen, merkte mir für meine spätere Rache die Gesichter der Übeltäter, fuhr als Vierter über die Ziellinie und war ganz überrascht, wie schnell das Rennen vorüber war. Das mit dem Sieg hatte nicht geklappt, also konnte ich mein eigenes Lehen erst einmal vergessen. Trotzdem war ich irgendwie nicht unzufrieden. Schließlich hatte ich diese Platzierung auf ehrliche Weise errungen. Ich hätte es berichtet, wenn dies Anders gewesen wäre. Meine ehrliche und offene Art ist schließlich fast schon sprichwörtlich.

Die nächsten Tage waren durchaus arbeitsintensiv. Ich setzte mich auf die Spur der Amphorenwerfer und ließ mir von ihnen bei einem Becher Blutwein schwören, das sie derlei Unfug in Zukunft unterlassen würden. Das Blut im Trank stammte übrigens von ihnen selber. Ihre verzweifelten Beteuerungen waren jedenfalls derart glaubwürdig, das ich sie um ein Haar fast doch noch am Leben gelassen hätte.

Auch die Regierung von Theostelos war in der Zwischenzeit nicht untätig und erklärte Nordheim den Krieg. Da diese Erklärung inzwischen fast schon legendär geworden ist, möchte ich sie gerne in kompletter Länge nacherzählen.

Der Kaiser rief die Adligen zu sich und sprach:

„Hiermit erklären wir Nordheim den Krieg.“ Die Vorführung vollendete ein wortloser Abgang.

Weitere Erklärungen waren offensichtlich nicht nötig. Die verblüfften Gesichter der versammelten Diplomaten nach dieser minimalistischen Vorführung waren allerdings sehenswert. Die ausländischen Gesandten wären vermutlich noch verwunderter gewesen, wenn sie geahnt hätten, das der Kaiser den nächsten Kriegsgegner einfach ausgewürfelt hatte.

Teil 5

Aber eigentlich wollte ich ja berichten, wie ich zu meinem Lehen gekommen bin. Noch am selben Tag wurde ich zu seiner Heiligkeit in die Kathedrale gerufen. Neugierig betrat ich sein Officium, küsste seinen Ring und wunderte mich, was unser Kanzler wohl von mir wollte. Schon seine ersten Worte bewiesen seine tiefe Einsicht:

„Mein Sohn, Ihr wundert Euch sicher, was der Kanzler von euch will?“

„Euer Heiligkeit haben vollkommen recht.“

„Mir ist zu Ohren gekommen, das ihr euch im Dienste des Reiches auszeichnen möchtet?“

War dieses dumme Gerücht immer noch nicht erledigt? „Es steht mir sicherlich nicht zu, mich hierbei unziemlich vorzudrängen und anderen Recken ihre Chance auf Heldentum zu nehmen.“

„Genau diese Art von bedächtiger Bescheidenheit zeichnet den wahren Helden aus. Ihr prahlt nicht vor euch hin, sondern tut, was getan werden muss.“

„Eure gute Meinung über meine Einsatzbereitschaft erfreuen mich unendlich. Aber leider: meine anfällige Gesundheit hindert mich allzu oft daran, mich so sehr für Theostelos einzusetzen, wie es dies verdient hätte.“

„Ich bin traurig, dies zu hören. Dabei habe ich euch noch gestern in einer verrufenen Kneipe beobachtet, wo ihr mit einem wohlgefüllten Trinkhorn in einer Hand und einer verschreckten Dirne auf dem Schoß ein unzüchtiges Trinklied von Euch gabt. Ich erwähne besser nicht, was ihr mit der anderen Hand so getrieben habt. Man konnte tatsächlich den Eindruck von beneidenswert ungeschmälerter Gesundheit und Lebensfreude bekommen.“

Oh ja, ich erinnerte mich dunkel an den letzten Abend. So ungefähr wenigstens. „Was hat Euch den in diese Kneipe geführt, Eure Heiligkeit?“

„Seelsorgerische Gründe, mein Sohn. Unsere Arbeit bringt uns mitunter an sehr ungewöhnliche Orte.“

„Dasselbe scheint wohl für mich zu gelten.“

„Wie wahr. Jedenfalls bin ich sicher, das eine kleine Seereise schnell Wunder wirken und zu Eurer Gesundung beitragen wird. Ich benötige einen Herold, der dem Fürsten von Eoganachta eine Botschaft überbringt.“

Nun, das klang ja gar nicht so schlimm wie zunächst erwartet. Offensichtlich sollte ich recht billig davon kommen. „Ein solcher Gang wird sicherlich meine schwachen Kräfte nicht überstrapazieren. Ich höre und gehorche.“ Ich verneigte mich, drehte mich um und ging in Richtung Ausgang. Doch ganz so einfach ließ Seine Heiligkeit Tanfana B mich dann doch nicht vom Haken.

„Haltet ein, mein Sohn. Ein solch einfacher Botendienst wäre doch deutlich unter Eurer Würde. Ich freue mich aber, Euch mitteilen zu können, das ich noch einen weiteren Auftrag für Euch habe! Diese Queste ist extrem gefährlich und ihr seid ohne jede weitere Hilfe komplett auf euch alleine gestellt. Ehrlich gesagt ist es zweifelhaft, ob Ihr unversehrt aus diesem Abenteuer zurückkehrt.“

Seine Freude war tatsächlich unverkennbar, so breit wie er mich gerade angrinste. „Auf zweifelhafte Abenteuer will ich mich eigentlich nicht einlassen!“

„Ihr seid doch ein findiger Meistermagus, allgemein geachtet und fähig. Ihr werdet schon einen Weg finden, mit allen notwendigen Informationen heil zurück zu kehren.“

„Ich bin keineswegs ein solcher Teufelskerl wie ihr vermutet.“

„Macht euch da weiter keine Sorgen, ihr seid entwicklungsfähig. Sobald ihr in einige Schlachten geraten seid, werdet ihr eure Streitaxt mit derselben Begeisterung schwingen, mit der ihr bislang Schlösser geknackt und Pferde gestohlen habt. Zumindest lassen einige Berichte aus Maringola auf ein solches Vorleben schließen.“

Ich gestikulierte wütend: „Dabei handelt es sich um haltlose Beschuldigungen von Ehrabschneidern und Neidern! Nichts davon ist gerichtsrelevant!“ „Ich bin beruhigt das zu hören. Genau genommen habe ich dem Großinquisitor bereits eine ähnliche Versicherung gegeben, als er mich letztlich aufsuchte und eine exemplarische Strafe forderte. Allerdings schien er nicht besonders überzeugt zu sein das ich recht hatte.“

„Er ist über die Maßen misstrauisch und nachtragend. Ich vermute, das er kein besonders glücklicher Mann ist.“

„Im Gegensatz zu Euch, würde ich sagen. Wie schade, das Ihr die Anschuldigungen momentan nicht aus der Welt schaffen könnt. Da ihr schon bald auf See seid, wird sich die Inquisition wohl erst mal nicht mit eurem schillernden Vorleben befassen können. Ich empfehle euch trotzdem, nicht allzu lang mit dieser Reise zu warten.“

„Wie lautet denn nun eurer zweifellos tödlicher Auftrag?“

„Ich möchte, das ihr nach Nordheim geht…“

(wird fortgesetzt)

Teil 6

Ich stützte mich auf meinen Drachenstab, denn ich brauchte Halt. „Mitten im Krieg? Das wird sicher lustig. Man wird euch meinen Schädel in Met eingelegt zurück senden!“

„Nur wenn ihr euch als Spion aus Theostelos zu erkennen gebt. Ihr könnt euch als Yaromese kleiden, dann solltet Ihr sicher sein.“

Das würde vermutlich sogar funktioniern, immerhin sprach ich fließend yaromesisch. „Was wird meine Aufgabe sein? Soll ich Nordheims Werften niederbrennen oder doch lieber ihren Stammesführer meucheln?“

„Wenn sich eine derartige Gelegenheit ergeben sollte wäre ein solcher Streich wahrhaftig lohnend. Aber ich möchte nicht zuviel erwarten. Mir würde es schon genügen, wenn ihr unser Auge und Ohr im Feindesland seid. Immerhin muss ich anerkennen, das ihr ziemlich exponiert sein werdet.“

„Entbehrlich wäre wohl die genauere Bezeichnung.“

Seine Heiligkeit lachte fröhlich. Offensichtlich amüsierte er sich gerade blendend. „Entbehrlichkeit ist der übliche Zustand für einen Krieger in der Nordheimer Kultur. Der Tod in der Schlacht ist ein erstrebenswertes Ziel für jeden Krieger. So zumindest erläuterte mir dies ein Nordland-Reisender.“

„Warum verstecken sich dann die hohen Stammesführer seit Jahren in ihren Festungen, statt sich begeistert in die finale Schlacht zu werfen? Hat man sie versehentlich an die Burgmauern genagelt ?“

„Es mag sein, das für die Herrscher des Reiches andere Prioritäten gelten. Dies zu untersuchen wird eure Aufgabe sein. Und falls ihr entsprechende Nägel findet: zieht sie heraus!“

„Was wird meine Belohnung sein? Das Schafott, sobald ich zurückkehre?“

„Ich dachte da schon an etwas Lohnenderes. Ihr wollt ein Lehen, und ich werde es Euch tatsächlich auch geben! Vorausgesetzt natürlich, das bei eurem Besuch in Nordheim etwas Substanzielles heraus kommt.“

„Und die Inquisition wird auf die Untersuchung meiner Jugendsünden verzichten?“

„Sobald ihr in den Hochadel aufgenommen werdet, hat die Inquisition keinerlei Befugnis mehr, Euch zu verurteilen. Ihr solltet also vor dem Gesetz sicher sein. Betrachtet diesen Auftrag nicht als Strafe, sondern als Chance. Und nun nehmt meinen Segen, ich habe schließlich noch andere Dinge zu erledigen…“

(wird fortgesetzt)

Teil 7

Ich wankte aus dem Officium und dachte ernsthaft über eine Auswanderung nach Yaromo nach. Der Arm seiner Heiligkeit reichte allerdings weit, und der theokratische Geheimdienst galt als recht effizient. Meine neuen Kollegen würden auf eine Fahnenflucht wohl kaum allzu erfreut reagieren. Wahrscheinlich war es gesünder, den Auftrag des Kanzlers auszuführen und auf mein Glück zu vertrauen.

Wenigstens schien meine Reise gut vorbereitet zu sein. Die Fahrt nach Eoganachta diente der Tarnung und sollte eine Erklärung für meine Abwesenheit vom Hofe liefern. Entsprechend unspektakulär verlief dann auch dieser Teil der Reise. Ich überreichte dem Fürsten von Eoganachta eine versiegelte Schriftrolle, deren Inhalt ich nicht kannte, und erhielt als Dank ein kühles Lebwohl. Mein Küstensegler steuerte anschließend einen Rendezvouspunkt an, um mich an ein nordländisches Drachenschiff zu übergeben. Dieses Schiff war kürzlich erbeutet worden und inzwischen mit Seeleuten aus Theostelos bemannt. Die Matrosen wirkten in ihrem barbarischen Ornat recht authentisch. Die Gefechtsschäden des Schiffes wirkten leider ebenfalls recht glaubwürdig. Es hatte ganz offensichtlich erst nach hartem Kampf den Besitzer gewechselt.

Ich wechselte meine höfischen Gewänder um in yaromesische Tracht und bereitete mich auf meine neue Karriere als Spion vor. Offiziell war ich nun der Bernsteinhändler Anwar el-Hakim auf der Suche nach neuen Rohstoffquellen. Zu meinen neuen Besitztümern gehörten auch mehrere Vogelkäfige mit einem halben Dutzend Brieftauben. Offenbar erwartete der Geheimdienst, das ich meine karg bemessene Freizeit mit der Pflege von Flugratten verbringen würde.

Dem ließ sich abhelfen. Ich beschriftete ein Pergament mit dem Text: „Werden von Seeungeheuer angegriffen! Tauben gefressen, Schiff am Sinken!“, unterschrieb mit meinem Agentennamen und vertraute diese wichtige Nachricht einer der Tauben an. Die anderen 5 Vögel überließ ich anschließend dem Schiffskoch und konnte mich zur Belohnung meines Geistesblitzes am Abend an verkochter Taubenbrust erfreuen.

Als wir uns nach einigen Tagen den nordheimischen Küsten näherten, bereiteten sich die Matrosen auf Ärger vor und machten ihre Waffen bereit. Auch die Katapulte wurden gespannt. Besorgt wandte ich mich an den Kapitän: „Wird es zum Kampf kommen?“

Er zuckte mit den Schultern und starrte mit zusammengekniffenen Augen zur Küste hinüber. „Das kann man nie wissen an feindlichen Küsten.“

„Wir sind doch offiziell ein nordheimisches Schiff und sollten hier unter Freunden sein. Wirkt es da nicht etwas auffällig, wenn wir die Katapulte laden?“

„Das wird keinen Nordheimer stören. Schließlich sind sie im Krieg, da wird eine gewisse Wehrhaftigkeit erwartet.“

Das Schiff näherte sich in Rammgeschwindigkeit der fremden Küste und lief in einen Fjord ein. Ich sprang auf einen Landungssteg, meine Ausrüstung wurde mir unzeremoniell nach geworfen, und schon legte das Drachenschiff wieder ab. Von nun an war ich auf mich selbst gestellt. Neugierig sah ich mich um. Vor mir lag eine unerwartet große Stadt, welche sich auf das Trefflichste in die zerklüftete Fjordlandschaft einfügte.

Ein Trupp Nordmänner trat auf mich zu. „Zollkontrolle!“ Ungewaschene Hände durchwühlten mein Gepäck, während ich ausführlich erläutern musste, was ich im Hafen wollte und wieso ich mir erdreistete, überhaupt am Leben zu sein. Meine vorbereiteten Schriftstücke wurden sehr gründlich begutachtet, obwohl sich die hohe Kunst des Lesens offenbar noch nicht bis in den hohen Norden vorgewagt hatte. Die Höhe des erhobenen Einfuhrzolles grenzte dafür an Straßenraub, also kamen die Wachen wohl auch ohne Schriftsprache gut über die Runden.

Meine großzügige Spende für den nordheimischen Analphabetenfonds hatte die Zöllner in bessere Stimmung versetzt; daher wagte ich zu fragen, ob es Neuigkeiten von der Front gebe. Die sofort einsetzende Stille zeigte mir, das ich vielleicht einen Fehler gemacht hatte.

Der Anführer der Zöllner zischte mir zornig zu: „Fremden stehen solche Fragen nicht zu! Kümmert Euch um Eure Handelsangelegenheiten und überlasst das Kriegshandwerk echten Männern!“

Herausfordernd zog er sein Schwert und fuchtelte mir damit vor der Nase herum. „Fremde können sich jederzeit in den Schwertkreis eines Nordheimers begeben. Aber der Nordheimer wird entscheiden, ob der Fremde dieses Gebiet unversehrt wieder verlassen kann!“ Er steckte seine Waffe wieder fort. „Ihr könnt gehen… für dieses Mal!“

Ich entschied mich, diesen guten Rat zu beherzigen, bevor die Wachen mir aus purer Bosheit noch weitere Gebühren auferlegten. In meinen yaromesischen Gewändern würde ich hier auffallen wie ein Papagei unter einem Schwarm Spatzen. Ich sollte mir schnellstens Unterkunft in einem der Handelskontore besorgen und konnte nur hoffen, das man mir meine Tarngeschichte weiterhin abnehmen würde.

Dann starrte ich verblüfft die vorbei eilenden Passanten an: ich sah einen Nordheim-Krieger samt Gefährtin, welche eine sich sträubende Frau in Ketten hinter sich her schleiften. Zuhause bekam man so etwas allenfalls in Morganas „Schloss der Schmerzen“ zu sehen…. Wenn man sich die Eintrittspreise leisten konnte.

Leise flüsterte ich vor mich hin: „Blondinen in Ketten, Blondinen in Ketten. Mein lieber Morbus, vielleicht bist du hier doch ganz passend aufgehoben…“

(Wird fortgesetzt)

Teil 8

Während ich mich ein wenig nach weiteren wehrlosen Objekten potentieller Begierden umsah stellte ich fest: es war kalt. Richtig kalt. Total KALT mit Großbuchstaben. Zuhause war Sommer, aber hier straften die Götter die Menschheit für ihre Sünden mit Frostbeulen und klappernden Zähnen. In meinen leichten yaromesischen Gewändern wusste ich diese Strafe wahrhaftig zu würdigen und gelobte baldige Besserung. Trotzdem blieb es kalt, was mich den nordheimischen Göttern endgültig entfremdete.

Außerdem wurde es verdammt neblig, und schon bald konnte ich mich nur noch tastend weiter bewegen. So mancher einheimische Zecher stolperte mir halb blind entgegen, ein Trinkhorn in einer Hand und mit der zweiten Hand ziellos im Nebel herum fummelnd. Die armen Kerle merkten es kaum, als sie mit einem Todschläger gestreichelt wurden. Ich nutzte die gute Gelegenheit, um meine Reisekasse etwas aufzubessern; der theokratische Geheimdienst war für seinen Geiz berühmt.

Einige schaurig klingende Stimmen gaben im Nebel unverständliche Richtungsanweisungen, welche mich bei gehorsamer Befolgung zielsicher mitten in einen Misthaufen geführt hätten. Nach nordheimischem Glaube handelt es sich bei diesen Rufen um die Stimmen der Ahnen, welche auch im Nachleben auf ihre Verwandtschaft aufpassten. Ich habe eher halbwüchsige Spaßvögel im Verdacht, sich mit den Betrunkenen einen Spaß zu erlauben. Aus purem Forscherinteresse probierte ich ebenfalls einige Rufe aus und wurde mit lauten Flüchen belohnt, als ein armer Zecher über eine Sitzbank stolperte und sich böse die Stirn aufschlug. Ich leistete mit meinem Todschläger erste Hilfe und erreichte um einige lohnende Erfahrungen leichter das Kontor der Handelsgilde.

Teil 9

Das Kontor war von starken Mauern umgeben und wirkte eher wie ein Wehrkloster denn ein friedlicher Handelsposten. Gute Verteidigungsanlagen waren vermutlich eine gute Idee, solange Nordheimer in der Nähe waren. Die Wache am Tor winkte mich ungerührt durch, als sie meine yaromesische Tracht sah. Ich betrat die Eingangshalle und betrat zielsicher die Kneipe des Kontors. Dort empfing mich ein Wirt namens Rob, welcher eher wie ein verkappter Pirat denn wie ein einfacher Händler wirkte. Er vermietete mir eine Unterkunft im Hauptgebäude und nannte mir ein Geschäft, in welchem ich warme Kleidung erstehen konnte.

„Warme Kleidung ist ja gut und schön, aber wir könnten ja mit heißen Getränken beginnen.“ Ich sah mich in der nicht gerade überfüllten Kneipe um. „Ich schmeiße eine Lokalrunde, wenn ihr mir die anderen Gäste vorstellt.“

Der Wirt deutete auf einige Einheimische an einem Ecktisch. „Dort sind einige Kapitäne auf der Suche nach Fracht und Passagieren. Passt bei dem Mann links hinten auf; seine Hobbies sind Flötenspiel und das Tragen von Frauenkleidern. Zwei Tische weiter sind einige Pelzhändler aus Eoganachta, aber die sind bereits derartig abgefüllt, das ich Ihnen lieber nichts mehr servieren würde.“

„Dann mache ich mich erst einmal mit den Einheimischen bekannt.“ Freundlich nickend trat ich an den Tisch der einheimischen Seeleute und begann, sie in ein Gespräch über das einheimische Klima, steigende Frachtgebühren, unwegsame Gletscherspalten und willige Frauen zu verwickeln. Hauptsächlich über Letzteres.

Ein mürrischer Wachmann erschien in der Tür zur Kneipe: „Heda, Yaromese! Draußen stehen einige Nordheimer auf der Suche nach einem Straßenräuber. Er soll ein ausländisches Kleid von weißer Farbe tragen. So wie du.“

Teil 10

„Das ist eine lächerliche Unterstellung. Ich trage eine cremefarbene Robe und komme schon daher kaum in Betracht. Außerdem würde ich es niemals wagen, Krieger aus Nordheim anzugreifen. Die sind doch alle viel größer als ich!“

Der Wachmann zuckte mit den Schultern. „Klingt für mich durchaus glaubwürdig und überzeugend. Würdet Ihr diese vernünftige Erklärung nun bitte dem wütenden Mob vor dem Tor darlegen, auf das er sich verstreut und nicht weitere unliebsame Aufmerksamkeit auf sich zieht?“

Ich reichte ihm einen Beutel mit Münzen. „Dies ist Euch gerade aus der Tasche gefallen, guter Mann. Ein Glück, das Ihr hier unter ehrlichen Männern seid. Ich ziehe es momentan vor, bei meinem Humpen Met zu bleiben. Könnt Ihr nicht einfach dem Volk draußen mitteilen, das sich im Kontor niemand befindet, auf den die Beschreibung des Gesuchten passt?“

Er blickte kurz in den Beutel und ließ ihn zufrieden grinsend in seinem Wams verschwinden. „Das lässt sich sicherlich machen.“ Er salutierte und verschwand nach draußen.

Ich widmete mich wieder meinen freundlich lächelnden Trinkkumpanen. Einer der Kapitäne meinte: „Falls ihr eine kurzfristige Passage auf einem Schiff benötigen solltet, kann ich Euch da weiter helfen. Es wird nicht ganz billig, ist aber sicherlich gut angelegtes Geld.“

Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf. „Sind Seereisen für Nordheimer nicht im Moment recht gefährlich geworden? Ihr habt doch Krieg mit Theostelos?“

„Dieser neue Krieg macht uns die Sache sicherlich kaum einfacher. Aber solange wir in Küstennähe bleiben und uns von den großen Truppentransporten fern halten sollte die Gefahr kalkulierbar bleiben.“

Ich nickte zufrieden. „Sobald ich meine Handelsgüter zusammen habe würde ich gerne auf dieses Angebot zurückkommen.“

Der Flötenspieler mischte sich nun ein. „Bei der Beschaffung dieser Handelsgüter könnte ich euch möglicherweise behilflich sein. Dies würde ich allerdings lieber unter vier Augen besprechen. Außerdem möchte ich Euch etwas Wichtiges zeigen. Bitte folgt mir. “ Er zwinkerte mir zu, während die Kapitäne unverständliche Bemerkungen im heimischen Dialekt machten und leise zu kichern begannen.

Zögernd folgte ich ihm und stellte fest, das er sich in Richtung Innenhof begab. Dem Geruch nach zu urteilen befanden sich die Aborte ganz in der Nähe.

„Das ist weit genug.“

Er begann, suchend in seiner Kleidung zu nesteln, und noch bevor ich mich fragen konnte, WAS genau er denn im Schritt seiner Hose suchte, zog er ein blausilbern schimmerndes Seil hervor. Geschickt warf er die Schnur in meine Richtung, und ich konnte der sich daraus bildenden Fessel gerade noch in einer Reflexbewegung ausweichen. Die Fessel sank zu Boden und kroch in meine Richtung, als wäre sie mit einem eigenen Willen ausgestattet. Was natürlich auch der Fall war. Ich hatte von diesen magischen Fesselseilen schon gehört, aber noch keines gesehen. Es würde nicht eher ruhen, bis es mich vollkommen umschlungen hatte und ich keinen Muskel mehr rühren konnte.

„Du stellst zu viele Fragen für einen einfachen Kriminellen. Nur Spione sind so neugierig!“ Mein Häscher leckte sich die Lippen. „Darauf steht der Scheiterhaufen… und vielleicht noch weitere lustige Dinge…“

(wird fortgesetzt)

Teil 11

Ich rannte in Richtung Abort und versuchte, meine magischen Energien zu sammeln. Das Seil kroch inzwischen hinter mir her und sah dabei aus wie eine ziemlich gierige Schlange. Wie war noch mal der Zauberspruch für die Rettungsteleportation? Gerade als es mir wieder eingefallen war, umschlang das Seil meine Beine und hangelte sich an meinen Beinen nach oben. Würde es mich fesseln, bevor ich entkommen konnte? Würde ich nun für das Vaterland sterben?

„Ihr könntet ja zumindest so tun, als ob ihr mitfiebert, schließlich war ich in Lebensgefahr!“

Mein Gegenüber lachte auf, während sie mich amüsiert musterte. „Da Ihr ja nun vor mir steht wäre das doch vergebliche Mühe, oder? Bei all euren ausschweifenden Erzählungen würde ich es allerdings vorziehen, wenn Ihr wieder zu den wesentlichen Fragen zurückkommen würdet.“

„Wie ihr möchtet, Lady Primaganda. Gerne sogar, aber irgendwie habe ich gerade etwas den Faden verloren und komme nicht drauf, was Ihr damit meint.“ Unwissenheit war im Gespräch mit der geheimnisumwitterten theokratischen Geheimdienstchefin vermutlich nicht die allerbeste Taktik, aber ich hatte schließlich einige nervenaufreibende Erlebnisse hinter mir.

„Dann will ich Euch gerne mit einigen Fragen behilflich sein. Erstens: wieso schickt Ihr eine Brieftaubenbotschaft mit der Meldung, Meeresungeheuer griffen Euch an und das Schiff sei am Sinken? Nach meinen Informationen hattet ihr eine recht ruhige Überfahrt, und die Besatzung hat keine Ungeheuer gesehen. Das Ganze klingt mehr nach einer ungeheuerlichen Lüge!“

Ach ja, dieser kleine Scherz auf dem Schiff. „Das war ein Missverständnis. Natürlich handelte es sich nicht um ein allgemein sichtbares Ungeheuer, sondern um einen aus dem Astralraum kommender Großen Alten. Während des Angriffes war die Mannschaft gelähmt und hat von dem Angreifer auch nichts mitbekommen. Ich konnte ihn vertreiben, bevor er wirklichen Schaden anrichten konnte. Dazu benötigte ich leider das Taubenblut. In der verkürzten Sprache einer Taubenbotschaft war dies vielleicht etwas unverständlich ausgedrückt. Dies tut mir leid, aber ich war in Eile.“

„Nun gut, lassen wir das für den Moment. Secundus: Was habt ihr in Nordheim herausgefunden… außer das es dort kalt ist?“

Teil 12

Gute Frage. Ich sollte doch wirklich mit irgendeiner Information aufwarten können, oder? Da erinnerte ich mich plötzlich an den gierigen Zöllnertrupp und die Drohung dessen Anführers. Wie war das noch mal? Fremde könnten sich jederzeit in den Schwertkreis eines Nordheimers begeben…? Das klang ja nun nicht gerade nach uneingeschränktem Angriffskrieg, oder?

Nordheim ist derzeit eher defensiv eingestellt. Ernst zu nehmende Gegenaktionen sind erst zu erwarten, wenn sie größere Truppenkontingente einschiffen konnten.“ Klang doch eigentlich ganz gut, und wenn ich mit dieser Vermutung vollkommen falsch lag konnte ich immer noch behaupten, das sich ein lokaler nordländischer Heerführer nicht an seine defensiven Befehle gehalten hatte.

Primaganda sah mich ernst an: „Morbus, ist euch bekannt, wie ich in meine Position gelangt bin? Ich erkenne meistens, wenn mich jemand anlügt, und das ist im Spionagegeschäft eine sehr nützliche Fähigkeit.“

Hatte ich gelogen? Keine Ahnung. Wahrheit oder Lüge waren meiner Meinung nach keine besonders wichtigen Kategorien und wurden ziemlich überbewertet. Schließlich handelte es sich hierbei nur um rein subjektive Begriffe ohne jeden Hintergrund in der kalten Realität.

Sie seufzte. „Ihr scheint tatsächlich die Wahrheit zu sagen, so überraschend dies auch erscheint. Eure Meldung passt sehr gut zu den neuesten Meldungen von der Front, wo unsere Flottenverbände auf defensiv agierende Gegner gestoßen sind. Ich gratuliere, Ihr habt eure Aufgabe gut erfüllt und sollt Euer Lehen erhalten!“

„Ich hatte nichts anderes erwartet!“ Dies war nun wirklich eine Lüge. „Ich hätte gerne einen Küstenstreifen mit gutem Klima, einem verspielten Lustschloss, einer prosperierenden Hafenstadt und einem Dutzend Bauerndörfer für die wohlfeile Versorgung meiner Bevölkerung…“

„Haltet ein! Wir haben längst ein passendes Lehen für euch ausgesucht… genauer gesagt, haben wir dies einem zuverlässigen Mann überlassen. Der Primas des Moribulus-Ordens wollte sich höchstpersönlich darum kümmern!“

Teil 13

„Dieser Mann hasst mich in geradezu manischer Weise! Das kann nicht euer Ernst sein!“

„Macht euch da keine Sorgen. Er hat seine Meinung über euch geändert. Anfänglich war er schon etwas reserviert, als der Kanzler ihn über eine mögliche Lehensvergabe an euch informierte. Aber nach kurzem Nachdenken schien er sich richtiggehend für diesen Plan zu begeistern und bat von sich aus darum, das richtige Lehen für euch zu finden.“

Das klang ja gar nicht gut. „Der Primas ist für seine Rachsucht bekannt. Es fällt mir schwer, ihm zu vertrauen.“

Primaganda lächelte mir ermutigend zu. „Und ihm ist es schwer gefallen, Euch zu vertrauen. Aber das Schicksal macht Euch ja nun zu Nachbarn, wie es aussieht. Man hat die Baronie Moribundi für Euch ausersehen. Euere Ländereien grenzen direkt an das Gebiet des Moribulus-Ordens an, so das Ihr euch von nun an regelmäßig sehen werdet. Er hat sich insbesondere bereit erklärt, eine Abteilung Ordensritter auf eurem Land zu stationieren, um jeden Übeltäter zu bekämpfen, welchem sie habhaft werden können. Warum verzieht ihr so das Gesicht? Nun freut Euch doch, ihr werdet Baron!“

„Ich habe schon immer die Ansicht vertreten, das gute Zäune gute Nachbarn machen. Ich lege keinen Wert darauf, fremde Truppen über mein Land ziehen zu lassen. Meine Bevölkerung könnte dies als Zeichen der Schwäche auslegen!“

„Eure Bevölkerung hatte letztlich tatsächlich unter marodierenden Söldnern zu leiden. Diese sind unter dem Vorwand, abtrünnige Nagesh-Assassinen zu jagen, in euere Baronie eingedrungen und haben dort schwer gewütet. Eine Abteilung Ordensritter könnte die Situation entspannen.“

„Wie viele Tote hat meine Baronie durch diese Untat zu beklagen?“

„Das lässt sich so einfach noch nicht beantworten. Ich habe zwar einen Agenten in Marsch gesetzt, der die Situation untersuchen sollte, aber leider ist der Kontakt zu ihm abgerissen. Entweder wurden seine Brieftauben allesamt von Monstern gefressen, oder aber er ist der momentan grassierenden Pest erlegen. In euren Sümpfen muss man mit derlei Unfällen rechnen.“

„Wer in meiner sumpfigen Baronie nicht von marodierenden Horden massakriert wurde verreckt also gerade an der Pest?“

„Nein, das kann man so nicht sagen. Zum Glück für uns waren ja die meisten Einwohner bereits vor den Drachen geflohen und konnten so dem Tode entkommen.“

„Mehr als ein einziger Drache? Bemüht euch nicht um eine Antwort, ich kann es mir denken. Pestilenz, Meuchler, Söldner und Drachen... Respekt. Der Primas hat sich tatsächlich selbst übertroffen, scheint mir…“ So viel Humor hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

„Er schien mir tatsächlich recht guter Dinge zu sein, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Er betonte, das die Verwaltung dieses Lehens jeden einfachen Manne vor unlösbare Aufgaben stellen würde, und ergo gerade die rechte Aufgabe für einen Meister-Magus sei. Der Kanzler schloss sich seiner Meinung an, und die Entscheidung ist gefällt. Nehmt dieses Lehen an oder verzichtet für Immer.“

„Was geschieht, wenn ich ablehne?“

„Das wäre vermutlich keine gute Idee. In diesem Falle würde der Primas Euch erneut vor der Inquisition anzeigen. Nur als Baron seid ihr davor sicher.“

Magus Morbus von Moribundi? Dies ist sicherlich ein klangvoller Name. Darf ich meinem Wappen einen Drachen hinzufügen…?“

Dies jedenfalls war die Art und Weise, wie ich mein Lehen erhielt. Und vermutlich hätte ich mich lieber von der Inquisition hinrichten lassen sollen, anstatt diesen Titel anzunehmen. Dies ist allerdings eine Geschichte für einen anderen Tag…

(Ende... vorerst)