Hyrrwagorr, Legende und Schrecken

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Im Osten der Westprovinz Askatias zieht sich das Festland des Kontinents über viele hundert Kilometer in das Meer und umschließt so mit der gegenüberliegenden Seite des Kontinentes das Binnenmeer. Diese Landspitze, auf der sich die Ausläufer des Waldes von Autira befinden, erinnert in ihrer Form entfernt an einen Drachenkopf. Das ist auch der eine Grund, warum dieser Teil der Westprovinz "Drachenspitze" genannt wird.

Von dem anderen Grund wissen alte und fast vergessene Sagen zu berichten. Ein Neugieriger, der auf der Suche nach alten Aufzeichnungen ist, mag in Kreisheim fündig werden, dort wo es die ältesten Tempel, die weisesten Männer und die umpfangreichesten Bibliotheken gibt. In einer der hintersten Ecken einer der zahlreichen Bibliotheken, dort, wo seit Äonen kein Mensch mehr nach Schriften gesucht hat, dort mag ein Neugieriger fündig werden. Vielleicht findet er hier ein uraltes Buch mit alten, vergilbten Seiten unter dem Staub der Jahrhunderte. Und vielleicht schlägt er auch das Kapitel auf, das vom Schrecken der Drachenspitze berichtet, eine Legende schon zur Entstehungszeit des Buches. Der Neugierige, so er die alte, fast vergessene Schrift entziffern kann, wird folgende Legende lesen:


Die Welt Erkenfara entstand aus dem Kampf zwischen Gut und Böse, aus dem Kampf zwischen der Scheibe des Lichts und der Decke der Dunkelheit. Aus dem Guten entstanden die Götter und aus dem Bösen die Giganten. Und der Kampf setzte sich fort zwischen den Göttern und den Giganten. Aus dem Blut der Götter entstanden alle Kreaturen des Lichts und aus den Maden der Giganten alle Wesen der Finsterniss.

Aus einer der Maden der Giganten entstand Nardir, der Urdrache, der Vater aller Drachen. Von ihm stammten alle anderen Drachen ab. Nardir war sehr mächtig, denn er war so groß wie ein Berg, so schnell wie ein Falke, so schlau wie ein Fuchs, so mutig wie ein Löwe, so verschlagen wie ein Wolf und doch so weise wie eine Eule. Wurde er müde und legte er sich zur Ruhe, so mochten Menschen ihn für einen Berg haften und auf seinem Rücken siedeln und für Jahrhunderte in Frieden leben. Doch eines Tages würde er sich wieder regen und seinen schicksalshaften Flug fortsetzen, und koiner konnte sagen, ob er hungrig war oder nicht. Auf seinem Weg kannte er kein Hindemiss. Er zermalmte die Erde, er verpestete die Luft, er durchschnitt die Wasser, und er ignorierte die Feuer.

Doch Nardir begann sich einsam zu fühlen. Er begann nach einem anderen Drachen zu suchen, doch Nardir war der einzige seiner Art. Er flehte die Elemente an, ihn aus seiner Einsamkeit zu erlösen. Und sie stimmten ihm zu, doch forderten sie ihren Ihnen zustehenden Tribut. So schnitt jedes Element ein Stück Fleisch aus seiner Seite und formte daraus ein Ebenbild Nardirs. Und Jedes der Elemente flößte einem der Ebenbilder Leben ein. So war Nardir nicht mehr alleine, und er war der Vater aller Drachen. Doch waren sie nicht seine Söhne, denn die Elemente rächten sich dafür, daß Nardir sie mißachtet hatte. Seitdem gab es fünf Drachen auf der Weit: Nardir, den Urdrachen, Tamur, den Drachen des Feuers, Wussar, der Drache des Wassers, Warder, der Drache der Erde, und schließlich Jaworr, der Drache des Windes. Aus den vier Drachen der Elemente entstanden die Feuerdrachen, die Erddrachen, die Wasserdrachen und die Luftdrachen. Aber sie alle haßten Nardir, denn er gehörte zu keinem Element. Und sie — die vier — schlossen sich zusammen, um Nardir zu bekämpfen. Denn so, wie Nardir einst die Elemente bekämpft hatte, so bekämpften die Drachen der Elemente nun Nardir. Vor Groll darüber zog sich Nardir aus der Geschichte der Welt zurück. Nur manchmal, bei einem Erdbeben, einem Vulkanausbruch, einer Überflutung oder einem Wirbelsturm heißt es, Nardir würde erneut mit den Elementen kämpfen.

Aus den Drachen der Elemente aber entstanden alle Drachen, die wir heute kennen. Die Kinder Tamurs liebten besonders die Wüsten und die Vulkane der Welt. Die Kinder Wussars ließen sich in den tiefsten Stellen der Meere nieder. Alle Nachkommen Warders leben in tiefen Höhlen unter der Erde und im Schlamm der Sümpfe, während die Kinder Jaworrs sich gerne auf Windumtosten Berggipfeln niederlassen. Und dies seien auch die Merkmale der heutigen Drachen, denn jeder gehört zu einer dieser Linien.

Tamur, der Feuerdrache, ließ sich in einem alten Vulkan nieder. Und aus ihm ging die Linie der Feuerdrachen hervor. Einer dieser Feuerdrachen war Hyrrwagorr. Tamur schickte Hyrrwagorr aus, für immer und ewig nach Nardir zu suchen und zu töten. So kam es, daß Hyrrwagorr in die Welt zog, getrieben vom Haß auf Nardir. Er folgte den Spuren des Urdrachen. Überall, wo Nardir sich einmal niedergelassen hatte, tauchte auch Hyrrwagorr auf. An diesen Stellen begann er zu suchen, und er verheerte die Gegend mit seinem Feuerodem, selbst wenn Nardir sich dort schon lange nicht mehr befand. War die Gegend unbewohnt, so war Hyrrwagorr genauso wütend, als wenn sie von Menschen besiedelt war. In beiden Fällen zerstörte er das Land, bis nichts als die nackte, verbrannte Erde zurückblieb und alles, Mensch wie Getier, tot war. Manchmal quälte er auch intelligente Wesen, um von ihnen eine neue Spur von Nardir zu erfahren.

So kam es, daß er nach Jahrhunderten seiner Suche zu einer Landspitze kam, die sich heute die Drachenspitze nennt. Und Hyrrwagorr spürte, daß sich Nardir hier besonders lange aufgehalten hatte. Denn Nardir ließ sich hier nieder nach einem schweren Kampf um seine Wunden zu heilen. Und die Menschen siedelten auf seinem Rücken, der so fruchtbar war wie ein Ascheboden. Auch Hyrrwagorr ließ sich hier nieder, um die Menschen zu bestrafen. daß sie von Nardirs Fleisch gelebt hatten. Dafür, daß sie auf Nardirs Rücken gute Ernten hatten, zerstorte er die Dörfer der Bewohner, er verbrannte das Getreide auf den Feldern, er fraß das Vieh auf den Weiden und er versklavte die Menschen. Er verheerte das Land und die Menschen verfluchten den Tag ihrer Geburt. Vielleicht wäre er noch immmer auf der Drachenspitze, dabei das Land und die Menschen zu knechten, wenn die Elemente selber Hyrrwagorr befohlen hätten, seine Suche fortzusetzen.

Diese Knechtschaft mehrer Generationen von Menschen hat sich so in das Gedächtnis eingebrannt, daß es keiner wagt, von Drachen zu reden. Die Bewohner der Drachenspitze nennen ihr eigenes Gebiet einfach nur "das Land". Erst in weiterer Entfernung, dort wo die Menschen etwas weniger Angst vor den Drachen haben, nennen sie dieses Gebiet die "Drachenspitze".