Morbus geht ins Licht, oder auch nicht
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Im Handelskontor
„Mein werter Morbus, euer Amulett hat sicherlich seinen Wert, aber ich habe für unser magisches Schwert andere Pläne. Da werden wir nicht ins Geschäft kommen.“
Der Handelsmeister Avallons zuckte mit den Achseln. Das war schade, denn der Adel unseres Reiches war inzwischen mit unseren Schutz-Amuletten wohl versehen. Bei magischen Waffen sah das noch anders aus.
Bedauernd nickte er mir zu. „Außerdem muss ich jetzt zu einer kleinen Jagdpartie aufbrechen. Die Rehe im Revier nehmen Überhand. Daher muss ich unser Gespräch jetzt beenden.“
„Reisende soll man nicht aufhalten, das lehrt uns die Göttin Aida. Dann wünsche ich euch viel Glück mit euren Rehen…“
Und mit dem Honig, wenn man den Gerüchten glauben wollte.
Die kleinen avallonischen Jagdpartien hatten interessante Erzählungen ausgelöst darüber, was da wirklich gejagt wurde. Es war wohl besser das Thema nicht zu sehr zu vertiefen.
Wir verabschiedeten uns freundschaftlich und ich ging durch das Tor des avallonischen Kontors nach draussen. Dann umrundete ich die Wehrmauern, schlich mich zurück durch die kleine Seitenpforte und wartete im Schatten eines Zeltes bis der Handelsmeister hoch zu Ross in Richtung Jagdrevier aufgebrochen war.
Dann begab ich mich zur Handelsstube des Kontors. Dort sprach ich die Anwesenden an:
„Wohlan, werte Herren, ich bin mit dem Handelsmeister verabredet.“
Ein junger Mann in praktischer Gewandung verbeugte sich leicht.
„Da habt Ihr leider Pech, mein Meister ist in Geschäften unterwegs und wird einige Tage nicht verfügbar sein.“
„Oh, das ist aber ärgerlich.“
Ich machte ein überraschtes Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Er hatte mir versprochen auf mich zu warten. Das ist kein vernünftiges Geschäftsgebaren von seiner Seite, ich habe meine anderen Geschäfte vernachlässigt nur um mit ihn zu reden.“
Das stimmte sogar, der Meister hatte tatsächlich versprochen auf mich zu warten. Und er hatte sein Versprechen gehalten, denn wir hatten ja miteinander geredet. Aber ich war trotzdem mit seinem Geschäftsgebaren unzufrieden. Wie konnte er ein Geschäft ablehnen an dem ich ein Interesse hatte? So etwas war zutiefst ungehörig.
„Vielleicht kann ich euch ja helfen, Herr Morbus?“
Zumindest kannte der Geselle meinen Namen. Aber ich hatte ebenfalls meine Vorbereitungen getroffen. „Ihr seid Cyan, nicht wahr?“
„Fast richtig ausgesprochen, ja.“
„Vielleicht könnt ihr das tatsächlich, mir helfen meine ich.“
Ich zog eine Schatulle aus Rosenholz hervor und öffnete es mit der gebührenden Sorgfalt.
„Seht dieses magische Amulett. Euer Meister und ich waren an einem Tauschgeschäft interessiert.“
Zumindest für Einen von uns beiden traf das auch zu. Cyan begutachtete das Amulett fachmännisch. „Das ist gute Handwerkskunst.“
„Wir benutzen nur feinste Materialien, und unser handwerkliches Geschick wird nur noch von unseren Kenntnissen der Magie übertroffen. Niemand sonst ist in der Lage ein solches Meisterwerk zu schaffen.“
Nicht bis jemand herausfand wie man mit Spinnenseide Schutzsprüche in Mithril verweben konnte. Aber unsere Magiergilde würde Töten um dieses Geheimnis vor Fremden zu schützen.
„Nun, was genau ist seine magische Macht?“
„Es spiegelt feindliche Zauber auf den Verursacher zurück. Dieses Amulett ist nicht nur sehr kleidsam (und Frauen mögen Qualität, zwinker zwinker) sondern auch ein echter Lebensretter. Und wenn ich sage Lebensretter, dann meine ich LEBENSRETTER in Großbuchstaben. Ich stehe nur noch hier weil ich eines bei mir hatte. Ich hatte einen Dämonen in einem Taschenuniversum gefangen, aber ihm gelang es mich ebenfalls hinein zu ziehen. Ich war bereits erschöpft und fast tot. Aber nachdem er seinen härtesten Zauber auf mich abschoss und die Wirkung selbst abbekam habe ich überlebt und er nicht.“
Die Geschichte stimmte sogar.
„Das hört sich interessant an. Ich sollte das Amulett selbst nehmen. Ich bin ja nicht nur Händler, sondern auch Abenteurer.“
Ich nickte ihm begeistert zu. „Ah, natürlich seid ihr das. Auch ich war Das einst, aber dann bekam ich ein Pfeil ins Knie. Es ist also abgemacht, das Amulett gegen das Schwert?“
Cyan wollte mir die Hand reichen, aber dann wurden wir unterbrochen.
„Nicht ganz so schnell. Ich habe da noch ein paar Fragen.“
Eine weibliche Stimme ertönte hinter mir. Ich erkannte sie als die Mutter Cyans.
Ich drehte mich um und verbeugte mich galant, was es mir erleichterte meine Gesichtszüge von Ärger zurück auf liebenswürdige Freundlichkeit umzustellen.
„Ich antworte gerne auf alle Fragen. Bei einem solchen Premium Produkt habe ich so Gelegenheit endlich einmal so richtig angeben zu können.“
„Solche Gelegenheiten sind euch bekannter Weise willkommen. Nun denn, muss das Amulett an eine Person gebunden werden?“
„Ja, das ist aber leicht zu bewerkstelligen. Ich kann das Ritual gleich hier für euren Sohn durch führen wenn er dies wünscht.“
„Damit ist es also unverkäuflich sobald es gebunden ist?“
„Ja, aber wer würde sich denn von einem solchen Schutz freiwillig wieder trennen wollen? Außerdem ist das eher ein weiterer Vorteil für den Eigentümer: für Diebe ist das Amulett uninteressant.“
Aus einem Nachteil ein Verkaufsargument zu machen war das kleine Einmaleins des Handels.
„Ich nehme das Amulett.“ Cyan schüttelte mir energisch die Hand. „Bitte führt das Ritual durch.“
„Aber gerne doch. Seht Ihr die Einkerbung auf der Rückseite? Dort müsst ihr Einfach etwas Blut hinein geben. Ein Haar oder ein Fingernagel reicht aber auch.“
Nachdem Cyan mir das magische Schwert übergeben hatte ging ich meiner Wege. Ich hörte noch wie Cyans Mutter ihm Vorhaltungen machte.
„Was ist wenn der Meister schon Abnehmer für das Schwert hatte?“
„Mama, dann hat er einfach Pech.“
Die Unverblümtheit der Jugend war immer wieder erfrischend. Zufrieden mit dem Verlauf des Nachmittags ging ich meiner Wege.
Kapitel 2: Ein kleiner Stadtspaziergang durch Theosophia
Nach einem kurzen Fußmarsch erreichte ich die Stadtmauern Theosophias. Natürlich befand sich das avallonische Handelskontor nicht innerhalb der Mauer; die Sicherheit der Stadt wäre dadurch kompromittiert worden. Es handelte sich bei Avallon um einen Feindstaat, und erst seit dem Waffenstillstand war ein Handel wieder möglich.
Außerdem hatte man sich in der Bevölkerung ein gesundes Misstrauen gegen Händler bewahrt, welche sich allzu oft beim Kampf um finanzielle Gewinne unlauterer Mittel bedienten. Ein solches Verhalten lag mir natürlich vollkommen fern. Einst war ich ständig auf der Flucht vor dem Gesetz, verfolgt von wütenden Opfern meiner geschäftlichen Aktivitäten, aber diese Zeit war vorbei. All die Dinge, welche mich in der Vergangenheit ständig in Schwierigkeiten gebracht hatten, waren für manche Lebensbereiche gerade zu der Schlüssel zum Erfolg. Lug und Trug wurde von der Gesellschaft geächtet, waren aber die Grundvoraussetzung für eine Karriere in der Spionage und im Handel. Das Erstere hatte ich probiert und damit meine Baronie verdient; das Letztere versorgte mich gerade mit einer recht zufriedenstellenden Profitmarge.
Die Händler von Audvacar pressten die gesamte bekannte Welt aus und lebten in Saus und Braus, ohne das ihnen ständig böswillige Autoritäten die Eingangstür eintraten. Dies sollte mein Vorbild für eine luxuriöse Zukunft sein.
Das Stadttor war offen, und die Wachen winkten mich einfach durch. Vor wenigen Wochen wäre so etwas unvorstellbar gewesen. Aber der Waffenstillstand hatte durchaus seine Vorteile. Außerdem hatte ich in den letzten Jahren genau dieses Tor so oft durchschritten das man mich hier gut kannte. Allzu oft hatte ich Verwundetentransporte von der Front hierher begleiten müssen; eine wahrhaft deprimierende Tätigkeit.
Beim Betreten der Stadt sah ich kurz nach oben zu dem ehernen Käfig, der über dem Tor als Memento Mori aufgehängt war. Auf einem rostigen Schild fand sich die Inschrift: „Gebrochen der Wille, gebrochen der Mensch, arme Kreatur.“ Einige verrottete Knochen am Boden des Käfigs zeugten davon, das einst in diesem Käfig jemand gefangen gehalten worden war. Welches Verbrechen war wohl derartig grausam gestraft worden? Ich könnte einen der Weisen Pedias fragen, aber deren Antwort war zumeist viel ausführlicher als nötig.
Der Krieg hatte nicht nur in der Bevölkerung Spuren hinterlassen, sondern auch im Stadtbild. So war es leider nötig gewesen, alle Häuser abzureißen welche in Pfeilschussweite vor den Stadtmauern erbaut worden waren. In friedlicheren Zeiten war eine echte Bedrohung der Hauptstadt nicht erwartet worden, daher war man etwas zu nachlässig geworden wenn es um die Verteidigung ging. (Lediglich einige Gebetsstätten und Tempel waren verschont worden. Kriegszeiten waren kein guter Moment um unsere Götter zu verärgern.) Deren Baumaterial war benutzt worden um die Befestigungsanlagen der Stadt zu verstärken. Die heimatlos gemachten Bewohner lebten nun provisorisch in einigen Tempelanlagen innerhalb der Stadtmauern. Unsere Götter waren großzügige Gastgeber.
Die Abbrucharbeiten wurden sogar zu einem unerwarteten Glücksfall, da in den Ruinen eines Hauses an der Stadtmauer ein verstecktes Archiv entdeckt wurde. Es handelte sich dabei um verschollen geglaubte historische und liturgische Texte bis zurück zur Zeit der Ausbreitung. Die Göttin Pedia schaute wahrhaftig freundlich auf uns herab. Bersena war völlig begeistert und übernahm in Eigenregie die Sichtung und öffentliche Bereitstellung dieses unerwarteten Schatzes. Ihre unermüdliche Energie und Ausdauer war ein ermutigender Anblick.
Leider erschien die Weltlage aktuell nicht allzu rosig. Große Teile unseres Reichsgebietes waren entweder vom Feind besetzt oder vom Gegner bedroht. Die Nachrichtenlage aus den besetzten Gebieten war schwierig, aber angeblich war die Burg der Kreisritter erobert und geschleift worden. Eine solch traditionsreiche Burg zu verlieren war ein schwerer Schlag. Gleichzeitig hatte es allerdings dafür gesorgt, das die ständigen Belästigungen in meiner Baronie durch überhebliche und ziemlich humorfreie Kreisritter aufgehört hatten. Hätten diese ehrenwerten Ritter ihre Zeit damit verbracht, ihrer Burg einige Katapulte zu spendieren anstatt hart arbeitenden Raubrittern das Beutemachen auf den Handelswegen zu erschweren gäbe es vielleicht weiterhin eine Kreisritter-Burg. Unsere Götter helfen denen die sich selber helfen.
Und dann war da natürlich noch die Pestilenz, welche sich wie Mehltau über die gesamte Welt gelegt hatte. Aber in der Baronie von Moribundi war die Bevölkerung schon an Seuchen krepiert bevor es Modern wurde; daher waren die Überlebenden abgehärtet und nicht leicht zu verschrecken. Da ich einen Teil meiner Profite für die Verbesserung der Infrastruktur einsetzte und kurzerhand einige der lästigeren Banditenbanden selbst angeheuert hatte um sie die Zollabfertigung übernehmen zu lassen begannen meine Untertanen zu glauben das mir an ihrem Wohlergehen aufrichtig etwas liegen würde. Dies erleichterte das Regieren erheblich.
Im Augenblick war ich tatsächlich jemand, den man als „Stütze der Gesellschaft“ bezeichnen konnte. Ich führte das heimische Handelskontor, versorgte die Verwundeten in den Spitälern und begab mich immer wieder an die Front, um den Aufmarsch und die Rückzüge unserer Armee zu decken. Tatsächlich begann ich mich in dieser Rolle wirklich wohl zu fühlen. Als man mich einst zum Primas des Moribulus ernannte glaubte ich noch an einen bösen Scherz, den die Götter mir spielten. Schließlich war ich aus Maringola geflohen, um einem Leben im Dienste dieses Gottes zu entfliehen. Und trotzdem war dies nun seit Jahren meine Rolle und meine Aufgabe. Doch was mir zunächst wie das Joch erschien welches man einem Karrenochsen umzulegen pflegt, begann mir zu gefallen. Und es erschien mir längst nicht mehr so schrecklich wie noch vor ein paar Jahren. Es war nicht länger zu leugnen das ich weich wurde. Moribulus würde sich freuen.
„Herr, Ihr werdet von Ursus erwartet.“
Ein Wachposten salutierte vor mir und zeigte mit der Spitze seiner Hellebarde in die Richtung des Regierungssitzes. „Ah, welche Ehre. Dann sollte ich mich wohl umkleiden.“ Ich wollte in Richtung Moribulus-Tempel gehen, aber dort stand mir plötzlich ein zweiter Gardist im Weg. Und hinter Ihm sah ich einen Kampfmagier aus dem Nichts erscheinen, der mir kollegial zunickte und dann den Weg zu Ursus wies. Entweder hatte er Unsichtbar auf mich gewartet oder war herbei teleportiert um mich aufzuhalten. Vor meinem „Unfall“ auf dem Schlachtfeld hätte er sich ein solches Verhalten nicht getraut. Aber die Situation war nun Mal wie sie war. Offenbar war es nicht länger meine Entscheidung wohin mich meine Schritte führten. Da konnte ich zumindest so tun als ob käme ich freiwillig mit. Und sei es nur, damit ich sie später mit einem Fluchtversuch überraschen konnte.
Kapitel 3: Am Kartentisch
Die Wachen führten mich auf die Stufen des Regierungspalastes und die Tore öffneten sich wie von Zauberhand; der mich begleitende Kampfmagier wollte wohl ein wenig angeben. Je mehr Erschöpfung er ansammelte umso besser.
Die Wachen lotsten mich an der repräsentativen Freitreppe vorbei, welche zu den oberen Stockwerken führte. Dort hatten sowohl seine Heiligkeit Tanfana B als auch der Kaiser ihre Amtsgemächer. Beide befanden sich aktuell aber nicht in der Stadt, daher war Dies keine große Überraschung.
Ursus Pater hatte es irgendwie geschafft, aus seiner Position als Herold eine unerwartet große Machtfülle zu generieren. Einst war ich Herold gewesen und hatte dieses Potential nicht erkannt. Nun war es zu spät dagegen anzukämpfen; Ursus hatte sowohl das Militär als auch den Hochadel auf seine Seite gezogen.
Es war schon seltsam, wie viele Menschen verschwanden, sobald sie sich gegen Ursus aussprachen. Die Pest war überraschend selektiv in der Wahl ihrer Opfer. Diesen Punkt sollte ich besser im Hinterkopf behalten.
Der Weg führte uns in das Labyrinth unter dem Palast. Die Korridore waren nicht erbaut worden, um einen schnellen Zugang zum „Kartenraum“ zu ermöglichen; das Gegenteil war richtig. Die Korridore sahen alle gleich aus und führten zumeist in Sackgassen, welche mit magischen Fallen versehen waren. So manche dekorative Steinfigur auf dem Dachfirst war ursprünglich ein unerwünschter Eindringling gewesen Welcher über keine ausreichende Magieresistenz verfügt hatte. Und Gerüchten zufolge war so mancher Besucher absichtlich in eine solche Falle geführt worden. Daher achtete ich penibel darauf hinter den Wachen zu bleiben und versuchte, mir den Weg zu merken.
Die besorgte Stimme einer Wache sprach mich plötzlich an:
„Herr Morbus, ihr verliert gerade Münzen!“
„Danke, ich scheine ein Loch in meiner Geldkatze zu haben. Gut das Ihr so aufmerksam wart.“
Die Wachen halfen mir dabei mein Gold einzusammeln, während mich der Kampfmagier süffisant anlächelte. Die Goldstücke hatten Lärm gemacht als sie zu Boden fielen. Man hat leider nicht immer Brotkrumen oder Apfelkerne dabei wenn man sie mal braucht.
„Was kommt als Nächstes, verhakt sich die Ecke Eures Umhangs an einem Fackelhalter und hinterlässt einen Wollfaden?“
Ich zuckte nur mit den Schultern und würdigte den Magier keiner Antwort. Ich hatte Dies durchaus in Erwägung gezogen, aber die Flure waren zu gut beleuchtet und ein Wollfaden wäre noch auffälliger gewesen. Mit etwas mehr Vorbereitung hätte ich mir die Sporen einer Pilzart aus Northeim auf die Schuhsohlen reiben können; diese hinterlassen einen ganz schwachen Geruch nach Vanille und hätten mich sicher durch das Labyrinth geführt. Mit etwas Vorwarnung hätte ich diese Hürde spielend gemeistert, aber man hatte mich einfach auf dem falschen Fuß erwischt.
Der Flur führte nun in ein Vorzimmer zum Allerheiligsten des Reiches. Ein Wachlokal mit einem halben Dutzend Soldaten und einem diensthabendem Magier. Ich wurde ohne große Worte durchgewunken und betrat den Kartenraum. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer Eichentisch, in dem die Welt Erkenfara detailliert eingraviert war. Anbei befanden sich die Pulte der Schreiber, welche pflichteifrig alle Befehle des Oberbefehlshabers notierten und seine Gedankengänge der Nachwelt überlieferten.
Noch vor Kurzem hätte man hier Seine Heiligkeit Tanfana B oder auch den Kaiser Yakuul Kahar antreffen können, aber nun wurde der Raum vom Alten Bären dominiert. Ursus Pater hatte seine Macht-Ambitionen erfüllen können und den Oberbefehl an sich gerissen, aber in Kriegszeiten waren die Aufgaben an der Spitze des Reiches deutlich Fordernder als erwartet. Ob er seinen Wunsch nach Macht inzwischen bedauerte? (Ich erkannte hier ein Muster und hörte Moribulus leise lachen.)
Ursus Pater debattierte gerade mit leiser Stimme mit Theorin, welcher ebenfalls einen kometenhaften Aufstieg hinter sich hatte seitdem Ursus Pater die Macht übernommen hatte. Mir war gar nicht bewusst gewesen das er solche Absichten verfolgte. Offenbar hatte er auf das richtige Pferd gesetzt.
Ursus sah von einem Schriftstück auf und sah mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an. „Werter Morbus, wir müssen reden. Und damit meine ich das ich rede und ihr ganz genau zuhört.“
Ich nickte zustimmend. Es war wohl besser so wenig wie möglich zu sagen.
„Ihr seid verantwortlich für das Einhandeln strategischer Güter. Allerdings wurde meine Aufmerksamkeit darauf gelenkt das es wohl zu einigen Engpässen gekommen ist. Möchtet Ihr näher Erläutern wie so etwas geschehen kann?“
Ganz eindeutig keine gute Frage….
„Aber sicher doch, Ursus, dies ist eine sehr gute Frage und leicht zu erklären. Einige Rohstoffe sind etwas knapp weil die Kriegslage die Transportwege bedroht. Invasionen von Barbarenhorden sind Gift für die Lieferketten. Die Engpässe sollten nur temporär sein.“
„Dann lasst Uns einfach hoffen das Ihr die Lage im Griff habt.“
„Ihr werdet Euch wundern.“ Mit etwas kreativer Buchführung würde sich hier so Einiges bereinigen lassen.
„Bei Euch ist damit immer zu rechnen.“
„Dann werde ich mich erneut auf den Weg machen um dafür zu sorgen.“ Ich verbeugte mich und ging in Richtung Vorzimmer. Aber ganz so schnell konnte ich mich dann doch nicht der Situation entziehen.
„Nicht ganz so schnell, mein lieber Morbus. Es finden gerade wieder Ausscheidungsrennen für das Wagenrennen statt. Leider sind die erfahrenen Fahrer aktuell alle an der Front, so das wir auf anderes Personal zugreifen müssen. Und Ihr ward früher doch ein recht passabler Wagenlenker.“
Ich war einst mehr als nur Passabel, aber es war wohl kaum ein guter Moment damit anzugeben.
„Ich verstehe was ihr meint. Ich werde die neuen Rekruten sofort auf begabte Fahrer überprüfen und kann bei der Ausbildung helfen. Ich denke da an Brutus oder Prince Charming. Ein Trainerposten im Rennstall von Theostelos ist ja auch eine prestigeträchtige Aufgabe Für mich.“
„Brutus oder Charming wäre sicherlich eine gute Wahl. Aber wer entscheidet sich denn für junge Windhunde, wenn er auch einen erfahrenen alten Jagdhund ins Rennen schicken kann? Und damit meine ich Euch, Morbus, auch wenn Ihr Euch gerade verdutzt am Kopf kratzt.“
„Meine Zeit als Sportsmann nähert sich dem Ende seitdem ich diesen Pfeil ins Knie bekommen habe…“
Ursus Pater schüttelte traurig den Kopf. „Die Geschichte mit dem Pfeil klingt ja schön und gut, aber wir wissen beide das sie nicht Wahr ist. Der Grund für Eure Zurückhaltung ist doch ein Anderer.“ Ursus Pater streckte eine Hand zur Seite und bekam von einem Gehilfen eine Schriftrolle gereicht. Der Gehilfe hatte eine Verbrennung in der Innenfläche der Hand, und ich versuchte, mir Nichts anmerken zu lassen.
„Dies ist ein Bericht über euer Magierduell an der Front. Drei Magier aus Hellborn gegen Euch. Ihr erinnert Euch?“
Wie konnte ich das Vergessen?
„Aber sicher, das war ein Mordanschlag. Aber ich wehrte mich und entkam lachend. Seitdem habe ich das Motto „Drei sind nicht genug“ meinem Wappen hinzu gefügt.“
„Ihr seid entkommen, aber gerade so.“ Ursus Pater schüttelte traurig den Kopf. „Und seitdem seid ihr nicht mehr Der der ihr einst wart. Ich kann es kaum fassen das ich dies sage aber ich wünsche mir den alten Magus Morbus zurück.“
Er drückte mir die Schulter. „Anders ausgedrückt: Ihr bleibt seitdem der Front so fern wie es nur geht und versteckt euch hinter der Heilkunst. Das Reich hat aber genügend Heiler, wir benötigen Kampfmagier, welche den Gegner auf 200 Schritt zu verbrennen vermögen. Und das war einstmals Eure Spezialität.“
Ich nickte traurig. „Wer weis ob das ich noch in mir habe? Meine Tätigkeit als Heiler hat mir jede Energie für Kampfmagie geraubt.“ Der Schreiber neben Ursus musterte mich mit säuerlichem Gesichtsausdruck, und auch Dies merkte ich mir.
„Angeblich ist Magie wie Segeln. Wenn man es erlernt hat kann man es nicht mehr vergessen. Ihr werdet sehen, das ist ein Klacks für einen Teufelskerl wie Euch. Und Ihr als bekannter Kriegsheld seid doch eine sehr gute Wahl, um die Farben unseres Reiches zu vertreten. Die Bevölkerung kennt euch und mag…. Na ja Sie kennt Euch.“
„Nun gut, Ursus. Wenn Ihr meint das ich als Wagenlenker dem Reiche dienen kann so werde ich natürlich die Pferde anspannen. Ich lebe um zu dienen.“
„Natürlich tut ihr das. Ich freue mich schon auf den Bericht über eure kommenden Heldentaten. Wie gerne würde ich zusehen, aber die Pflicht lässt mir keine Zeit. Und jetzt ist der Moment gekommen an dem Ihr gehen dürft.“
Ich verbeugte mich und konnte endlich zurück ins Labyrinth. Die Wachen führten mich sicher durch das Gewirr. Mir kam es so vor als wäre es nicht derselbe Weg wie auf dem Hinweg, aber ich landete nicht in einer Falle und war dankbar dafür hier lebend heraus zu kommen.
Ich brauchte jetzt ganz dringend etwas Erholung. Daher war es wohl nachvollziehbar wenn ich mich ein wenig in den Palastgärten entspannte. Daran würde kein noch so misstrauischer Spion Anstoß nehmen können, oder?
Die Leiterin unseres Geheimdiensts Primaganda hätte möglicher Weise etwas vermutet, aber sie war nicht in der Stadt. Nach Ausbruch der Seuche hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht die Familie des Kaisers zu schützen und befand sich mit ihm, seiner Frau und der Tochter an einem geheimen Ort. Von Ihr ging also keine Gefahr aus.
Kapitel 4: Im Palastgarten
Es war vermutlich eine wirklich gute Idee den Palastgarten aufzusuchen. Und das nicht nur wegen der schönen Aussicht. Der Palast war auf dem ganzen Kontinent für seine exotische Pflanzenwelt berühmt. Sandrosen aus Yaromo wuchsen hier neben Winterkirschen aus Nordheim oder Eisblumen aus Helborn; eine avallonische Nebelkerze stand friedlich neben Gürtelrosen aus Vir'Vachal oder einer Hefeblüte aus Eoganachta. Ein ganzes Regiment Gärtner sorgte für die Bedürfnisse jeder einzelnen Pflanze und war für den Schutz des Gartens vor Fressfeinden ausgebildet.
Die üppige Natur verfehlte nicht ihre beruhigende Wirkung auf mich, und ich sah mich nach einer Sitzgelegenheit um. Ein junger Mann saß auf einer Marmorbank und übte ein religiöses Lied auf der Laute. Ich setzte mich auf eine Nachbarbank und hörte ihm eine Weile zu.
Schließlich sprach er mich an, wobei er einen leichten Plauderton anschlug: „Ihr wisst schon dass dies eine Falle sein könnte?“
„Ich habe so etwas schon vermutet. Aber ich brauche Antworten, da muss ich leider ein Risiko eingehen.“
„Dann fragt doch einen Weisen Pedias, dort sind die Antworten umsonst. MEINE Antworten werden euch etwas kosten.“
„Wieviel Gold wollt ihr?“
„Gold ist so langweilig. Ich möchte dass ihr mir etwas erzählt das mich belustigt oder von dem ich noch nie gehört habe.“
„Nun, dann gibt es eine kleine Geschichte welche beide Kategorien abdecken könnte. Es ist jetzt etwa eine Woche her, als ich mich in der Sakristei des Moribulus-Tempels aufhielt. Meine Amtsgeschäfte führten mich dort hin, es wurde spät, es war dunkel, ich war Alleine.“
„Klingt nach einer Gute-Nacht-Geschichte. Erzählt weiter.“
„Plötzlich wurde es am Eingang des Tempels hell wie an einem Sommertag, es erklang himmlische Musik, welche mich an Engelschöre gewahrte, und eine eindrucksvolle Stimme sprach: „Ihr habt mir gut gedient, Morbus. Nun tretet ins Licht um eure Belohnung zu erhalten.“
„Ihr hattet eine religiöse Erfahrung? Ich gratuliere. So etwas ist nur Wenigen vergönnt.“
„Naturgemäß war ich überrascht und ging auf den Lichtschein zu. Es passiert ja nicht alle Tage dass man die Stimme seines Gottes hört. Selbst dann nicht wenn man ein Priester dieses Gottes ist.“
„Es wäre einfacher den Göttern zu vertrauen wenn sie ihren Willen in klaren Worten und mit eigener Stimme verkünden würden, statt sich auf Priester als Vermittler zu verlassen.“
„Ich bin geneigt Euch zuzustimmen, allerdings bin ich Selbst ein solcher Vermittler. Daher bin ich mir aber auch sicher dass Götter nur selten die Sterblichen direkt ansprechen. Und es würde mir das Geschäft erschweren wenn sie es tun würden.“
„Das klingt als wart ihr nicht euphorisch.“
„Moribulus möge mir verzeihen, ich war ein wenig skeptisch. Und mir sind dann auch schnell ein paar Dinge aufgefallen, die mich darin bestärkten. Am Boden vor dem Lichtschein lagen einige goldene Krumen. Ich bin lange genug im Handelsgeschäft um zu erkennen dass es sich nicht um echtes Gold handelte sondern um Narrengold.“
„Ein Gott könnte sich sicher auch echtes Gold leisten.“
„Wichtiger als der mangelnde Wert des Materials ist dass es sich bei Narrengold um eine Komponente eines mächtigen Illusionszaubers handelt, mit dem man genau diese Art von Effekten erzeugen kann deren Zeuge ich gerade wurde. Es ist in manchen Religionen durchaus üblich die Gimpel … ahem Gläubigen damit zu traktieren um ihren Glauben zu stärken.“
„Auch bei Moribulus?“
„Leider nicht … Moribulus mag keine Abkürzungen, bei Ihm muss man sich Alles hart erarbeiten. In seinem Tempel würde er einen solchen Betrug nicht zulassen. Deshalb war der Zauber auch VOR der Tempeltür.“
„Habt ihr den Betrügern eine Strafpredigt gehalten?“
„So könnte man es nennen. Ich habe den Eingang mit einigen Blitzen gereinigt, danach war der Spuk schnell vorbei. Es gab ein paar Schmerzensschreie, viel Gefluche und Gerenne. Ich habe wohl den Hexer gegrillt, denn die Illusion war danach zerstört. Leider ist sein Gesicht nicht unbedingt unversehrt geblieben. Eine Identifizierung war mir nicht möglich.“
„Gab es keine weiteren Hinweise?“
„Es gab noch ein weiteres Indiz.“ Ich holte einen geschwärzten Eisendolch aus meiner Pilgertasche. Im Griff war ein stilisierter Einhorn-Kopf eingraviert. „Ein Blitz ist genau in der Spitze eingeschlagen. Die Dolchspitze hat auf mich gezeigt.“
Mein Gegenüber sah mich überrascht an. „Helborn? Warum sollten sie Euch ermorden wollen?“
„Ich glaube es sollte nur so aussehen als wäre Helborn der Täter. Der Dolch muss sehr heiß geworden sein, ich fand verkohlte Hautfetzen am Griff. Und wie der Zufall so spielt habe ich inzwischen Jemanden gefunden der eine Brandwunde in der Hand hat, welche zu diesem Dolch hier passt. Einer der Schreiber von Ursus war etwas zu unvorsichtig.“
„Nun, dann werde ich wohl meinen Teil des Geschäfts einhalten müssen. Meine Geschichte ist nicht ganz so ausufernd wie Eure. Mir wurde nur zugetragen dass der Organisator der Wagenrennen geschmiert worden ist um die Fahrer von Helborn und Nordheim in denselben Vorlauf zu stecken wie die Fahrer der Südallianz. Und ein unbekannter Gönner hat beiden Fahrern des Nordens eine Belohnung versprochen wenn Konkurrenten zu Tode kommen sollten. Sie wissen nicht wer Ihnen diese Belohnung versprochen hat. Ich jetzt schon.“
„Warum sollte Ursus so etwas tun? Er würde den Süden damit nur schwächen? …“
„Nun, es ergibt sogar einen gewissen Sinn. Er hat erst kürzlich philosophiert dass ein toter Held den Eifer der Bevölkerung steigern kann und zu steigenden Rekrutenzahlen führt. Möglicherweise will er diese Theorie nun in die Tat umsetzen?“
„Wenn Ursus mich tot sehen will sollte ich wohl fliehen.“
„Oder ihr vertraut mir in dieser Sache. Meine Hilfe hat natürlich ihren Preis.“
„Natürlich.“
„Ich werde eines Tages Verbündete brauchen. Kann ich auf euch zählen? Sicher kann ich das, ihr habt keine Wahl. Behaltet einfach diesen Dolch an Eurer Seite. Ihr werdet ihn noch brauchen.“
„Habe ich Bedenkzeit? “
„Habt Ihr, bis genau Jetzt. Ich erwarte eine Antwort. Sagt einfach Danke, dann halte ich euch am Leben.“
„Danke, Brutus.“
Kapitel 5: Das Wagenrennen
Während ich die Pferde meines Wagengespannes ein letztes Mal kritisch musterte verabschiedeten sich Zinsus Krassus und Bersena von mir. Sie wollten ihre Plätze in der Arena von Audvacar einnehmen und wünschten mir viel Glück für das kommende Rennen. Ich würde es auch Brauchen.
Während das erste Halbfinale noch relativ ereignislos durchgeführt worden war würde dies bei unserem Rennen nicht der Fall sein. Die Arena war auch deutlich besser besucht als noch vor ein paar Stunden, denn es gab sehr viel Gerüchte darüber das hier bedeutende Ereignisse zu erwarten waren.
Schon die Zusammensetzung des Rennens war etwas verdächtig. Es gab mit Helborn und Northeim zwei Teilnehmer aus der Nordallinz, welche mit allen drei Reichen des Südens im selben Rennen waren. Dies für sich alleine war noch nicht ungewöhnlich; selbst in Kriegszeiten gab es in der Arena einen unausgesprochenen Waffenstillstand zwischen den Reichen. Aber alle neutralen Reiche hatten ihre Teilnahme an diesem Rennen abgesagt, und dies mit ziemlich unglaubwürdigen Erklärungen. Offenbar waren diese Rennställe unter Druck gesetzt worden. Ich hätte sehr gerne ebenfalls abgesagt, aber mir war ein solcher Ausweg nicht vergönnt.
Die Reiche des Nordens hatten Fahrer nominiert, welche für ihre aggressive Fahrweise berüchtigt waren. Außerdem besagten einige neu aufgekommene Gerüchte, das der Fahrer von Vir Vachal Probleme bekommen würde. Man war sich uneins warum dies der Fall sein würde; manche glaubten an den Streit um eine Frau, andere vermuteten nicht zurück gezahlte Spielschulden. Meine persönliche Vermutung war das Brutus den Konflikt zwischen dem Fahrer von Vir Vachal und den Attentätern des Nordens angeheizt hatte, um deren Energie auf andere Ziele umzulenken. Ich konnte nur hoffen das Dies nicht die einzige Hilfe war die ich bekommen würde.
Firlefanz erschien Persönlich um die Fahrer zur Startlinie zu rufen. Die Startplätze waren ausgelost wurden und ich landete auf Startposition drei und war damit seltsamer Weise genau zwischen den Wagen von Northeim und Helborn platziert. Es gibt schon kuriose Zufälle. Der Northeimer trug einen Greifenhelm und brüllte zusammenhanglos vor sich hin. Ich fragte mich ob er betrunken war. Aber vielleicht war er auch einfach nur Berserker. Der Helborner war nüchtern und deutlich ruhiger. Beides war kein gutes Zeichen.
Das Startsignal erklang und es begann die Rangelei darum, wer als erster um die Kurve kam und die Ideallinie fahren konnte. Ich kam recht gut ins Rennen, entschied mich aber für eine defensive Fahrweise und nahm die Außenbahn. Kein vernünftiger Fahrer würde mir auf diese Strecke folgen wollen.
Folgerichtig drängte sich der Northeimer an der Außenbahn an mir vorbei und nahm sogar noch Geschwindigkeit heraus, um meinen Wagen möglichst effektiv zu beschädigen. Das war der Beweis den ich brauchte: er wollte nicht Gewinnen sondern Töten. Er schüttelte mit seiner Streitaxt bedrohlich in meine Richtung. Die Fahrerin von Yaromo warf mir einen schockierten Blick zu; mit dieser Brutalität hatte sie offenbar nicht gerechnet.
Northeim nahm in der Zwischenzeit die Innenbahn und war offensichtlich nicht ganz so mörderisch veranlagt wie sein Kriegskamerad. Es mag aber auch daran gelegen haben das Vir Vachal sich ebenfalls für die Innenbahn entschied; auch hier kam es zu einer schweren Kollision. Die Geräusche von schreienden Pferden und brechendem Holz waren sehr laut und stachelten die Schlachtenbummler der Nordallianz zu triumphierendem Gebrüll auf. Sie hatten ganz eindeutig ihren Spaß.
Ich könnte nun jede Wendung des Rennens genau beschreiben, jeden erarbeiteten Vorteil bewerten oder das dumme Pech beklagen welches einzelne Fahrer ereilte. Aber nicht jeder Leser ist vom wahren Sportsgeist beseelt und kann sich an einer solch enthusiastischen Darstellung erfreuen. In Wahrheit will das Publikum doch einfach nur Blut sehen, und davon gab es an diesem denkwürdigen Tag auch genug!
Wir Fahrer der Südallianz hatten relativ schnell begriffen das wir nicht an einem normalen Rennen teil nahmen sondern um unser Überleben kämpften. Jeder von Uns entschied sich für eine andere Taktik. Der Fahrer von Vir Vachal entschied sich dafür, sich an die Spitze des Feldes zu setzen und es den Gegnern damit zu erschweren ihn zu bedrängen. Yaromos erfahrene Fahrerin fand es sinnvoller, mit etwas Abstand hinter dem Hauptfeld zu fahren und konnte so ihren Wagen intakt halten. Meine dahin stürmenden Pferde waren mir der Kontrolle längst entglitten, so das ich einfach nur hinter Vir Vachal her raste und auf das Beste hoffte.
Vir Vachal hatte in den ersten Runden die Spitze übernommen, aber er wurde immer wieder bedrängt und gerammt. In der dritten Runde geschah was kommen musste: sein Wagen zerbrach nach einem Ansturm von Helborn. Der Fahrer landete halb besinnungslos in der Innenbahn und wurde anschließend vom Fahrer aus Northeim überrollt. Er überlebte dies nicht. Ich fuhr direkt dahinter und hatte einen sehr guten Blick auf die Ereignisse. Der überraschte Blick des sterbenden Mannes hat mich seitdem schon manche Nacht verfolgt.
Ich raste an der Unfallstelle vorbei und schaffte es mich an die Spitze des Feldes zu setzen. Dies war allerdings nur eine kurze Freude, da sich nun beide feindliche Wagen an mich heran pirschten. Nachdem Vir Vachal erledigt war sollte ich nun offensichtlich das nächste Opfer werden. Dabei war der Northeimer allerdings so aufgepeitscht, das er auch keine Rücksicht mehr auf den Helborner nahm. Er beschädigte dessen Wagen schwer. Im Gegenzug zahlte Dieser mit gleicher Münze zurück und schaffte es tatsächlich, den Wagen zu zerstören. Nun lag auch der Northeimer in der Innenbahn. Das Geräusch brechender Knochen war wirklich verstörend, als mein Wagen ihn überrollte. Der sterbende Mann versuchte noch, meinen Pferden mit seiner Axt in die Beine zu hacken, aber er war bereits zu sehr geschwächt.
Die Gewalttätigkeit um mich herum hatte mich so schockiert, daß ich kaum registrierte wie ich über die Ziellinie fuhr. Man hatte mich zum Rennen geschickt damit ich dort starb. Stattdessen hatte ich es gewonnen. Mir war trotzdem nicht nach Jubeln zumute. Man überreichte mir etwas Arienthium für meinen Sieg, Das Consortium Comercialis hatte es für den Sieger des Halbfinales gestiftet. Es fühlte sich an wie Blutgeld. Ich begab mich zur Unfallstelle um zu sehen ob ich den Fahrern noch helfen konnte, aber da war nichts mehr zu machen.
Egil Wulfson lag regungslos am Rande der Bahn. Jemand hatte ihn seine Axt in die Hand gelegt und ein Schild auf den Schildarm. So erschienen seine erlittenen Verletzungen weit weniger gravierend, und sein Leichnam schien zu lächeln. Ich versuchte seinen Kameraden mein Mitgefühl auszudrücken, aber dies stieß auf taube Ohren. Angeblich war Egil nun unterwegs zu den Helden in Walhalla und Dies ein Grund großer Freude. Ich versuchte mich nun den Landesbräuchen anzupassen und freute mich einfach mit Ihnen das ich Ihm bei seinen Weg in die nächste Welt behilflich sein konnte. Dies war seltsamer Weise auch nicht die richtige Reaktion. Die Kultur der Nordmänner ist doch deutlich komplexer als man als Außenstehender so denken mag.
Und was bedeutet eigentlich „Wergeld“?